20 21 steinkeramiksanitaer.de II. Quartal 2024 steinkeramiksanitaer.de II. Quartal 2024 ProjektundDesign ProjektundDesign Bedürfnisanstalten als städtischer Hingucker Bedürfnisanstalten als städtischer Hingucker Als sich Tokio für die olympischen Spiele 2020, die bekanntermaßen Pandemie bedingt dann erst 2021 stattfanden, für seine Gäste aus aller Welt schön machen wollte, befand die Nippon Foundation, dass dazu auch die „öffentlichen Bedürfnisanstalten“ gehören sollte, die in Japan ebenso unbeliebt waren wie im Rest der Welt. Das Projekt „The Tokyo Toilet“ wurde ins Leben gerufen, um an 17 Standorten in Shibuya, einem Stadtteil von Tokio, öffentliche Toiletten realisieren sollte, die nicht nur zur Benutzung einladen, sondern auch architektonische Highlights sein sollten. eltbekannte Architekten wie die Pritzker-Preisträger Tadao Ando, Toyo Ito, Shigeru Ban und 13 weitere Architektur-Koryphäen sollten die öffentlichen Toiletten von Tokio zu Protagonisten der Stadtgestaltung machen. Bis 2022 wurden 13 der geplanten Projekte realisiert. Wir hatten ausführlich über die ersten ToilettenPavillons berichtet (https://objekte1. test-sks.de/ausgabe121/toto-tokio/, http://download.sks-infoservice.de/assets/downloads/222objekttoto.pdf). Mit den vier zuletzt fertiggestellten Sanitäranlagen von Junko Kobayashi, Marc Newson, Sou Fujimoto und Miles Pennington fand das Projekt jetzt seinen Abschluss. Wie bereits bei den übrigen Objekten hat der japanischen Sanitärhersteller Toto der Fondation nicht nur beratend zur Seite gestanden, sondern auch zur sanitären Ausstattung beigetragen. Das Projekt hat weltweit für Beachtung gesorgt, denn jedes der entstandenen Toilettenhäuser ist ein Kunstwerk. Ziel war es, das Konzept der öffentlichen Toiletten ganz neu zu denken und Orte zu schaffen, die zu jeder Tages- und Nachtzeit sicher und sauber für alle Menschen, unabhängig von Alter, Geschlecht oder körperlicher Beeinträchtigung, genutzt und erlebt werden können. Den Menschen ein angenehmes Toilettenerlebnis zu ermöglichen und somit auch der berühmten Omotenashi-Kultur der zuvorkommenden Gastfreundschaft Genüge zu tun, war das erklärte Ziel der Nippon Foundation und aller Beteiligten. Dabei sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich man sich wohl fühlt und ein Höchstmaß an Sauberkeit vorfindet, einladend, sicher, hygienisch und einfach zu nutzen sein. Darüber hinaus spielte vor allem die Inklusion eine große Rolle. Und so sind die nun fertiggestellten öffentlichen Toiletten allesamt auch Geschlechter übergreifend und barrierefrei zugänglich für Menschen mit körperlichen und visuellen Einschränkungen. Sie bieten zudem eine variierende Auswahl an Ausstattungen, die speziell für die Bedürfnisse älterer, schwangerer Menschen ausgelegt sind. Direkt unter der vielbefahrenen Stadtautobahn Nr. 4, neben einem massiven Brückenpfeiler, steht das von Marc Newson entworfene Toilettenhaus. Der renommierte Designer, der unter anderem für Kunden wie Louis Vuitton und Nike arbeitet, nimmt mit der geschwungenen Dachform des Gebäudes Bezug auf die traditionelle japanische Architektur, die oft in Schreinen, Tempeln oder ländlichen Gegenden gefunden wird. Sie soll, zusammen mit der kompakten Form des Gebäudes, Ruhe und Behaglichkeit bringen in die hektische und hypermoderne Umgebung der geschäftigen Millionenmetropole. Durch die Sichtbetonfassade und durch die mit der Zeit entstehenden Patina des Kupferdaches verschmilzt das Toilettenhaus immer mehr mit der Umgebung. Details wie die abgerundeten Ecken des Kubus und der Türöffnungen sowie insbesondere die warme Beleuchtung des Gebäudes unterhalb der Dachkante, wirken im Kontrast dazu harmonisch und behaglich. Um das Gefühl der Sauberkeit und Sicherheit zu unterstreichen, hat Marc Newson die kompletten Innenräume einfarbig in hellem Blaugrün und einer glatten, nahtlosen Oberfläche gestaltet. Marc Newson – solide, heimelig und hygienisch Miles Pennington / DLX Design Lab – mehr als nur eine Toilette An einer Kreuzung dreier Straßen, in markanter Lage, hat der Designprofessor Miles Pennington zusammen mit DLX Design Lab der Universität Tokio die öffentliche Toilette komplett neu interpretiert. Die Nutzung als Toilette tritt dezent in den Hintergrund und überlässt die große Bühne einem Multifunktionsraum, nutzbar etwa für Ausstellungen, als Pop-up Kiosk, Infozentrum oder Outdoorkino. In den Boden versenkbare Poller können dort mit Holzbalkon zusammengeschaltet werden und dienen als flexibel gestaltbare Sitzgelegenheit. Pennington möchte durch die zusätzliche Belebung den Trend umkehren, dass öffentliche Toiletten wenig genutzt werden und dadurch in Vergessenheit geraten. Eine echte Koryphäe auf dem Gebiet der Gestaltung von Toiletten ist die Architektin Junko Kobayashi. Als Präsidentin der Japanischen Toilettenvereinigung (JTA) und Autorin von Büchern wie „Die Toilette verändert sich“ liegt ihr sehr daran, das schlechte Image öffentlicher Sanitäranlagen ins Positive zu wandeln. So soll die sonnengelbe ovale Scheibe, die über den Stahlblechzylindern mit ihrer rostigen Patina schwebt, das dunkle und gedrungene Gefühl unter den Hochbahnschienen der Sasazuka Station aufheben zu einer himmelähnlichen Öffnung. Das gesamte Ensemble aus unterschiedlich hohen und dicken Stahlblechzylindern vergleicht Kobayashi mit einem „störrischen alten Mann, der immer über die Menschen wacht, und gleichzeitig eine lustige und unterhaltsame Atmosphäre schafft“. Dementsprechend verwundert es nicht, dass aus den runden Fensteröffnungen der Stahlwandungen die Umrisse niedlicher Häschen schauen. Junko Kobayashi, Gondola Architects – Stahlzylinder mit gelbem Himmelsschirm Fotos: The Nippon Foundation / TOTO Ltd. W Mehr Informationen und alle Adressen im Register ab Seite 44
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