24 25 steinkeramiksanitaer.de II. Quartal 2024 steinkeramiksanitaer.de II. Quartal 2024 ProjektundDesign ProjektundDesign dolf Loos ist auch der Planer eines weiteren architektonischen Juwels in Pilsen: Die „Semler-Residenz“. Sie steht in einer Reihe mit Bauten wie der Villa Tugendhat, der Müller-Villa und einem weiteren Pilsener Projekt von Adolf Loos, dem Brummel-Haus. Der historische erhaltene Innenraum der Familie von Oskar und Jana Semler, erbaut 1933 bis 1934, gilt als eines der bedeutendsten Denkmäler moderner Architektur in Mitteleuropa. Er basiert auf dem Entwurf von Adolf Loos aus dem Jahr 1932, das von Loos‘ Schüler und ehemaligem Mitarbeiter Heinrich Kulka in diesem Projekt weiterentwickelt wurde. Das Gebäude besteht nicht aus klassischen Geschossen, sondern die einzelnen Räume haben unterschiedliche Höhen und sind um eine zentrale Wohnhalle auf insgesamt sechs Ebenen konzentriert. Diese Lösung, „Raumplan“ genannt, ist eine Fortsetzung von Loos‘ Konzept für die Müller-Villa in Prag. Mit der Besetzung Pilsens durch die Nazis im Jahr 1939 musste die Familie Semler nach Australien emigrieren, wo der jüngste Sohn Vilém (Will) Semler und die Nachfahren noch heute leben. Die Residenz der Familie Semler diente in den nachfolgenden Jahrzehnten verschiedenen Zwecken, unter anderem als Büro, Schule und für Wohnnutzungen. Der Landkreis Pilsen erwarb das Wohnhaus im Jahr 2012 und übergab seine Verwaltung anschließend an die Westböhmische Galerie in Pilsen. Die Westböhmische Galerie in Pilsen verwaltet die Semler-Residenz bis heute. Unmittelbar nach deren Übernahme wurde mit der Ausarbeitung von Plänen für die Rekonstruktion und Restaurierung des gesamten Gebäudes begonnen, die in drei Phasen verlief. Die erste Reparaturphase begann 2013, als das Dach saniert und der Dachboden sowie die Keller isoliert, gedämmt und darüber hinaus mehrere nachträgliche Ein- und Umbauten entfernt wurden. Im Rahmen der 2. Phase sind 2015 die Flachdächer sowie die Elektro- und Haustechnik erneuert worden. Die Arbeiten umfassten die Restaurierung der am stärksten beschädigten Räume, einschließlich des Eingangsbereichs, der Garderobe und des Wintergartens im historischen Altbau. Neuer Glanz für Pilsener Architektur-Juwel Neuer Glanz für Pilsener Architektur-Juwel Es ist kein Geheimnis, das Tschechien reich an architektonischen Ikonen ist. Über einige haben wir hier bereits berichtet, wie zum Beispiel die Villa Tugendhat im tschechischen Brno (ehemals Brünn). nach den Plänen von Ludwig Mies van der Rohe (SKS Ausgabe 5.2012) oder die „Villa Müller“ in Prag, die 1928 nach den Plänen von Adolf Loos und Karl Lhota entstand. Die Jahre zwischen 2019 und 2021 waren erneut eine entscheidende Phase bei der Restaurierung. In dieser Zeit wurde fast das gesamte Gebäude, der Innen- und Außenraum, einschließlich der Fassade und der Garagen, instandgesetzt. Die meisten der noch heute erhaltenen Einrichtungsgegenstände aus der historischen Semler-Wohnung wurden restauriert, aber auch viele Details, die im Original nicht erhalten geblieben waren, erneuert. Die Restauratoren führten beispielsweise die komplexe Reparatur des Fußbodens aus Makassar-Ebenholz unter anderem in der großen Wohnhalle, der Küche und im Vorbereitungsraum für die Speisen, der Zimmer des Ehepaars Semler und der Kinderzimmer oder der oberen Halle durch. Die größte Herausforderung war jedoch die Instandsetzung des achteckigen Speisesaals, der am stärksten im Gebäude beschädigt war: Der Restaurator demontierte die stark beschädigten Mahagoniplatten im gesamten Raum, flachte die verformten Platten ab und passte sie an, restaurierte jede einzelne und brachte sie anschließend wieder an ihrem originalen Platz an. Das ursprüngliche Badezimmer, dessen Keramikfliesen in der Keramikfabrik von Rako in Rakovník hergestellt wurden, ist erhalten geblieben. Weiße Fliesen im Format 15 x 15 cm mit einer bzw. zwei abgeschrägten Kanten werden durch graue Fliesen von 15 x 15 cm auf dem Boden ergänzt. Aufgrund der mehr als neun Jahrzehnte, die seit dem Bezug der Semler-Residenz vergangen sind und vieler turbulenter Ereignisse nach 1945, gibt es nur noch wenige Unternehmen, die ähnliche Produkte oder identische Repliken aus dem Standardsortiment liefern können. Eines war das heute zur Lasselberger Group gehörende Fliesenwerk Rako, das es dank seiner langen Tradition ermöglichte, fehlende oder beschädigte Keramikfliesen an Wänden und Böden in verschiedenen Räumen der Semler-Residenz zu ersetzen. Deshalb konnte bei der Rekonstruktion der Residenz die Silba-Elstav, s.r.o., Hauptauftragnehmer des Bauvorhabens, auf die gleichen Keramikfliesen zurückgreifen wie vor über 90 Jahren. Vornehmlich waren das die Serien „Color One“, „Color Two“ und „Taurus Color“. Federführend bei der Planung und Durchführung der Restauration war Architekt Petr Domanický von der Architektur-Teilsammlung der Westböhmischen Galerie, heute Kurator der Ausstellungen und Führer bei Rundgängen. Er recherchierte die erhaltenen Pläne und zeitgenössische Fotografien in tschechischen sowie internationalen Archiven. Außerdem konnte er mit Vilém Semler, dem hochbetagten Sohn von Oskar und Jana Semler, sprechen, der sich an viele Details erinnerte. Auf diese Weise konnte ein großer Teil des Innenraums so seine Ursprünglichkeit zurückerhalten. Das Wohnhaus in der Klatovská trída 110 ist in zwei Bereiche unterteilt, von denen der erste, der fast die Hälfte des gesamten Gebäudes einnimmt, aus der Wohnung der Semlers besteht. Es handelt sich hierbei um die umfangreichste Loos-Inneneinrichtung in ganz Pilsen, in der eine mehrstöckige Wohnung mit einer nahtlosen Kontinuität von Räumen verschiedener Höhen und nach dem Raumplan-Prinzip geschaffen wurde. Im zweiten Flügel des Wohnhauses befinden sich heute ein Informationszentrum für Besucher, ein Raum für Bildungs- und Kulturprogramme, ein Depot für die 2009 eingerichtete Architektursammlung der Westböhmischen Galerie sowie Verwaltungsräume für die Westböhmische Galerie in Pilsen. Im Erdgeschoss befindet sich das Café Semler. Die SemlerResidenz beherbergt außerdem die Forschungsstelle für Architektur. Die Rekonstruktion und Restaurierung der Semler-Residenz wurde vom Landkreis Pilsen und der Europäischen Union im Rahmen des Integrated Regional Operational Programme (IROP) finanziert. Die Gesamtkosten beliefen sich auf umgerechnet mehr als 4,6 Millionen Euro. Eintrittskarten für die Besichtigung der historischen Innenräume können direkt vor Ort oder unter www.semler.cz und www.adolfloosplzen.cz erworben werden. Der Wiederaufbau und die Restaurierung des Gebäudes in drei Phasen Im Gebäude sind seit der Übergabe an die Bauherren im Jahr 1934 originale Fliesen des tschechischem Hersteller Rako verbaut, die bis heute im Einsatz sind. Bei der Sanierung und Rekonstruktion der Semler-Residenz konnten deshalb die inzwischen defekten Fliesen problemlos von dem Hersteller ersetzt werden. Die Residenz Semler ist noch immer ein „verstecktes Juwel“ im tschechischen Pilsen. Die Residenz Semler ist offiziell ein „Iconic House“ neben bedeutenden Bauten von Frank Lloyd Wright, Le Corbusier,Antoni Gaudí oder Ludwig Mies van der Rohe. Der historische erhaltene Innenraum der Wohnung für die Familie von Oskar und Jana Semler gilt als eines der wichtigsten Denkmäler moderner Architektur in Mitteleuropa. Vilém Semler, der hochbetagte Sohn von Oskar und Jana Semler sich an viele Details erinnern und damit viel zur Restauration beitragen. Das Iconic Netzwerk Als das „versteckte Juwel in Pilsen“ wurde die Semler-Residenz in Pilsen, wichtiges Kulturdenkmal in der Region, in das „Iconic Houses“- Netzwerk aufgenommen. Das Netzwerk ist eine gemeinnützige Stiftung aus den Niederlanden. Ihr Bestand umfasst gut 190 bedeutende Gebäude des 20. Jahrhunderts in der ganzen Welt, die zumindest teilweise für die Öffentlichkeit zugänglich sind und für Besichtigungen offenstehen oder gebucht werden können. Die internationale Iconic Houses-Gemeinschaft basiert auf einer engen und professionellen Zusammenarbeit sowie einem breit gefächerten Netzwerk. Die Semler-Residenz ist eines von bereits 12 Bauwerken in der Tschechischen Republik, die Teil des IconicHouses-Netzwerkes sind. Hier finden sich Bauten berühmter Architekten wie Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Antoni Gaudí, Ludwig Mies van der Rohe und vielen anderen. A Info Fotos: © Tomas Dittrich, Prag Mehr Informationen und alle Adressen im Register ab Seite 44
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