Das Ende der Negativentwicklung am Bau in Sichtweite?
Im Rahmen einer Presseveranstaltung der Münchener Messegesellschaft im Vorfeld der Baufachmesse BAU 2025 im Januar hat Ludwig Dorffmeister, Branchenexperte für Bau und Immobilien beim Münchener ifo Institut, die Rahmenbedingungen der Baubranche präsentiert. Das Fazit: Es bedarf eines scharfen Weitblicks, um zumindest für den Sektor Wohnungsbau eine Ahnung für das Ende erkennen zu können.
Aber es ist nicht alles schlecht. Denn wer im Sektor Tiefbau unterwegs ist, hat durchaus berechtigte Aussichten für ein zumindest moderates Wachstum von 4 Prozent bis 2026, so Dorffmeister. Zu verdanken sei dies den Investitionsanstrengungen der Telekommunikations- und Energieversorgungsunternehmen sowie die ‑ mithilfe von Bundesmitteln ‑ abermals intensivierte Erneuerung des überregionalen Eisenbahnnetzes. Ob es aber wirklich dazu kommt, hängt auch von den Kommunen ab, deren Haushaltslage sich spätesten seit 2023 erheblich verschlechtert habe, was sich in 2024 kaum ändern dürfte.
Über der Erdoberfläche aber bliebe die Lage weiter sehr ernst, so der Wirtschaftsexperte. Denn während die Corona-Pandemie den länger währenden Aufwärtstrend der europäischen Bauwirtschaft kurz unterbrach, sorgten die Folgen des Ukrainekriegs erneut für Bremsspuren in der nach Corona aufkeimenden Hoffnung auf eine Trendwende. Zu den Gründen zählen unter anderem die allgemeine Konjunkturabkühlung, der zwischenzeitliche Zinssprung, die erheblichen Kaufkraftverluste und die kräftigen Baukostenzuwächse. Daneben hat ifo vielfältige länderspezifische Faktoren ausgemacht, die die Einzelmärkte zusätzlich beeinflussen, wie zum Beispiel die staatliche Bauförderung.
Laut der Sommer-Prognose 2024 werde die europäische Bautätigkeit im Zeitraum 2023/24 um insgesamt 4 Prozent zurückgehen, danach bis 2026 aber nur um 3 Prozent zulegen. Laut Dorffmeister dürfte der Nichtwohnhochbau trotz der durchwachsenen wirtschaftlichen Aussichten immerhin moderat wachsen (+2,7 Prozent), wobei das Vor-Corona-Niveau jedoch außer Reichweite bleibe. Hinsichtlich der Aussichten auf Erholung im Wohnungsbau ist Dorffmeister allerdings wenig zuversichtlich. Das sei besonders deshalb ein Problem, weil auf den Wohnungsbau fast die Hälfte aller Baumaßnahmen in Europa entfällt. Und der sei laut ifo in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt um ein Zehntel geschrumpft (Neubau: -18 Prozent). Die Chancen auf eine deutliche Erholung in den kommenden Jahren werden entsprechend als gering eingeschätzt.
» Hinter dem Minimalzuwachs des gesamteuropäischen Bauvolumens im Zeitraum 2024 bis 2026 um 0,3 Prozent verbergen sich auf Länderebene ganz unterschiedliche Entwicklungen «
Bei alledem müssen man das auch global sehen, zumindest auf europäischer Ebene. So hätte beispielsweise das Auslaufen einer äußerst freigiebigen Fördermaßnahme zur Gebäudesanierung in Italien den gesamten Bestandsektor ins Minus gedrückt. Dorffmeister: „Ohne Italien lägen die Bestandsmaßnahmen 2026 um 4,2 Prozent über dem Wert von 2023“. Hinter dem Minimalzuwachs des gesamteuropäischen Bauvolumens im Zeitraum 2024 bis 2026 um 0,3 Prozent verbergen sich auf Länderebene ganz unterschiedliche Entwicklungen. So dürften in Polen die erbrachten Bauleistungen bis 2026 um 15,2 Prozent gegenüber 2023 zunehmen. Danach folgen Irland (+9,5 Prozent), Tschechien (+8,3 Prozent), Schweden (+8,0 Prozent) und Norwegen (+7,6 Prozent). Für das Großbritannien wird ein Plus um 6,1 Prozent vorhergesagt. Das würde sich zunächst positiv anhören. Tatsache aber sei, dass demgegenüber die drei wirtschaftlich stärksten Nationen den Schnitt wieder kaputt machen: Italien (‑6,7 Prozent), Deutschland (‑4,1 Prozent) und Frankreich (‑4,0 Prozent).
Der Ifo Experte konnte sich aber nicht verkneifen, an die „fetten Jahre“ zu erinnern: In Deutschland kletterte das Bauvolumen in den Jahren 2014 bis 2020 um nahezu 13 Prozent. Die guten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die starke Zuwanderung und die auch deshalb steigende Wohnungsnachfrage, das günstige Finanzierungsumfeld, die Anstrengungen zur Wohngebäudemodernisierung und das staatliche Bekenntnis zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur führten den Markt auf ein 21-Jahres-Hoch.
Heute aber sei der Wohnungsbau das große Sorgenkind, auch wenn sich nach Einschätzung der Wirtschaftsexperten der Bestandssektor durchaus robust entwickelt und mittelfristig wieder zulegen werde. Über die Gründe für die Sorgen müsse nicht lange spekuliert werden: Die abrupte Zinswende, die Baupreisexplosion und die stark zurückgefahrene Neubauförderung. Der durch den Ukrainekrieg ausgelöste Inflationsschock hätte zudem in erheblichem Maße die finanziellen Spielräume der deutschen Privathaushalte verringert. Die Zahl genehmigter Wohneinheiten in Ein- und Zweifamilienhäusern hätte sich zwischen 2022 und 2024 mehr als halbiert.
Etwas zuversichtlicher ist Dorffmeister in Sachen Mehrfamilienhausbau. Kaufkraftgewinne, wieder nachgebende Zinsen, eine Entspannung auf dem Grundstücksmarkt und kontinuierlich steigende Mieten könnten Wohnungsbauvorhaben mittelfristig zwar attraktiver machen. Auf der Bremse stünde aber wieder einmal der Staat: Die durch eine Vielzahl an (staatlichen) Vorgaben bedingte, immense Kostenbelastung bleibt weiterhin das große Thema und spricht gegen eine kurzfristige Trendumkehr. Dorffmeister: „2026 dürfte das Wohnungsbauvolumen um 14 Prozent niedriger ausfallen als 2021“.
Ziel des ifo Instituts ist, die wirtschaftspolitische Debatte in Deutschland und in Europa mitzugestalten. Es verbindet Forschung mit wirtschaftspolitischer Relevanz. Die Forschungsergebnisse sollen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft eine Grundlage für sachorientierte Entscheidungenbieten. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden so aufbereitet, dass Medien und Öffentlichkeit das aktuelle ökonomische und politische Geschehen verstehen und einordnen können. Eine Kooperation mit der Ludwig-Maximilians-Universität München ist dafür eine wichtige Grundlage.
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