31. Mai 2024

Schwimmbecken der Ideen beflügelt den Schulalltag

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Dass „Kunst am Bau“ nicht zwingend gleichzusetzen ist mit Grafiken, Skulpturen oder Gemälden hat die Schweizer Stadt Luzern im Rahmen der Sanierung und Erweiterung der über 100-jährigen Schulanlage St. Karli demonstriert. Der von Stadtbaumeister Karl Mossdorf bis 1911 im Heimatstil errichteten Altbau sollte mit einem Anbau nach den Plänen der Meletta Strebel Architekten erweitert werden. Um dabei dem Thema Kunst Raum zu geben, wurden im Frühling 2021 sechs Kunstschaffende zu einem Ideen-Wettbewerb „Kunst und Bau“ eingeladen.

Neben der Sanierung des Hauptgebäudes war vorgesehen, den an der Turnhalle angebauten Garderobentrakt zurück zu bauen. Zudem sollte das Hauptgebäude hangseitig mit einem Anbau erweitert werden. Die architektonischen Maßnahmen für die denkmalpflegerische Sanierung führten den U-förmigen Schulhaus-Altbau in seine ursprüngliche Wirkung zurück. Der zusätzliche Raumbedarf wurde durch einen am Nordhang gelegenen eingeschossigen und unterkellerten Anbau geschaffen. Dadurch entstand ein vierseitig geschlossener Innenhof, der zudem auf das Erdgeschoss-Niveau abgesenkt wurde.

"Durch die Umwandlung eines kargen Raumes in ein multifunktionales «Schwimmbecken der Ideen» geben sie dem ehrwürdigen Schulhaus ein zeitgemäßes Markenzeichen."
Camillo Paravicini, Künstler

Der in Luzern aufgewachsene Künstler Camillo Paravicini und sein Bruder, Architekt Giacomo Paravicini, haben mit dem Beitrag „Gegen den Strom“ den Ideen-Wettbewerb gewonnen. Der durch den Anbau nördlich des Schulhauses entstandene Innenhof bildet die Schnittstelle zwischen dem Alt- und Neubau. Die Bodenabsenkung, der Einblick durch die Fensteröffnungen im Erdgeschoss des Altbaus sowie die Glasfront des Erweiterungsbaus haben die Paravicinis inspiriert, diesen Innenhof in ein imaginäres Schwimmbassin zu verwandeln. Das Erdgeschoss sollte komplett mit den für einen Pool charakteristischen Schwimmbadfliesen ausgekleidet werden.

Die simple Umwandlung eines kargen Raumes in ein multifunktionales „Schwimmbecken der Ideen“ gibt dem ehrwürdigen Schulhaus ein zeitgemäßes Markenzeichen, welches in das gesamte Schulhaus ausstrahlt, so die Idee der Künstler. Der warme blaue Farbton soll die Anwesenheit von Wasser suggerieren und das kindliche Denken beflügeln. Je nach Fenstereinblick erinnert der Innenhof auch an ein Aquarium.

Das von oben einfallende Tageslicht reicht durch die Reflektionswirkung bis in die angrenzenden Räume. Entstanden ist damit eine Sonderfläche für sehr verschiedene spielerische Nutzungsmöglichkeiten. Mit der Assoziation als ein Aquarium gelang es den Künstlern, diesen unbespielten Raum zu sozialisieren: Die Abdichtung des Gebäudes war ohnehin notwendig und die einfachen, üblichen Mittel des Schwimmbad-Baus boten alle notwendigen Lösungen für diese Problemzone. Zugleich entstand mit der Ausgestaltung als Becken ein einzigartiger Raum der Möglichkeiten, ohne dass eine modische ästhetische Überformung aufdringliche Vorgaben für die täglichen Benutzung setzt.

"Im Schoolpool tauchen und die Gedanken schwimmen lassen"

Schwimmbad-Fliesen versprechen Kindern in der Regel Freizeit, Spaß und den Drang, spielerisch das Leben und Überleben zu lernen. Das helle Blau ist eine anregende Farbe, welche das Denken und die Fantasie anregen. Das in allen Sichtbezügen dezent in die Räume schimmernde Blau macht zudem im vorgesehenen Farbenspiel der sanierten Gebäude zwischen Rot und Gelb die Grundfarben komplett.

Die kleinformatigen keramischen Fliesen sollen zugleich Symbole des Schulalltags sein. Denn Quadrate oder Rechenkästchen begleiten ihn in allen Disziplinen: Sie teilen den freien Raum in Funktions- oder Spielfelder, dienen als Hilfe beim Zeichnen und Verstehen, lassen sich zählen, teilen und potenzieren. Seit der hellenistischen Zeit regen Gitter-Spielbretter zu unzähligen Nutzungen an. Die Fliesen des Schoolpools sind mit abwaschbarer Kreide als Spielflächen zu benutzen; sie lassen sich für Theaterspiele und Vorträge dekorieren und wirken auch ohne Veränderung als spannender Hintergrund und besonderer Raum.

"Er schenkt der Schule als Lernort einen neuen Horizont"

Zur Erfüllung dieser Spezifikationen dient auch die voll integrierte Skulptur der Sitzbank in Form eines extendierten Startblocks. Der neu gewonnene Raum dient für sämtliche sozialen Zwecke als ungeplanter Bonus, als Pausen- und Rückzugsraum, für außerschulische Zwecke und als Ausstellungs- und Spielraum für Ideenwettbewerbe. Er schenke der Schule als Lernort einen neuen Horizont und gibt den umliegenden Räumen eine Aussicht aufs Innere, so das Credo von Camillo und Giacomo Paravicini.


Denkmalpflegerische Sanierung mit Erweiterungsbau: 2019–2024
Bauherrschaft: Stadt Luzern Immobilien
Architektur: Meletta Strebel Architekten AG
Kunst am Bau: Camillo & Giacomo Paravicini, Basel/Luzern
Wettbewerb der Stadt Luzern: Juni 2021
Wandfliesen: Agrob Buchtal GmbH
Bodenfliesen: Gail Ceramics International (Rutschhemmungsklasse R12)
Fertigstellung: Frühling 2024
Eröffnung: 7. Juni 2024
Fotos: Michael Scherer, Nadia Schärli (Luzern)

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