Keramische Kreativität als Herausforderung
15.12.2017
Eine blühende Landschaft des Produktmarketings ist die Vergabe von Preisen, die jeweiligen Auslober sagen lieber „Award“ dazu. Die inflationäre Palette reicht vom „German Design Award“ über „Plus X Award“, „Red Dot Award“ bis zum „Good Design Award“, um nur einige wenige zu nennen.
Doch es gibt Ausnahmen, die die Grenzen dieses Empfehlungs-Marketings überspringen. Vor einigen Jahren war dies Sanitärhersteller Hansgrohe SE, dessen Designmarke Axor den Wettbewerb „Aquatectur“ in Leben rief und internationale Architekturbüros an spannenden Locations versammelte, die sich Gedanken über Architektur und Wasser machen sollten.
Auch bei dem 2010 erstmals von Keramikhersteller Agrob Buchtal ins Leben gerufenen „Tile Award“ geht es um die kreative Herausforderung beim gestalterischen Umgang mit der Keramik. In diesem Jahr wurde der Kreativwettbewerb nach 2012 und 2014 erneut ausgelobt. Dabei sollten junge Architekten und Innenarchitekten im Alter bis 38 Jahre herausgefordert werden, die schöpferischen Möglichkeiten von Keramikfliesen experimentell auszuloten.
Gesucht waren unkonventionelle Ideen zum Thema „Farbe und Patterns in der Architektur“. Dabei sollten Räume innovativ mit Keramikfliesen gestaltet werden, um so die Möglichkeiten dieses Baumaterials und Kulturgutes aufzuzeigen. Bis Ende Mai 2017 konnten Entwürfe in den Kategorien „Help/Care“, „Mobile/Transit“ und „Shop/Show“ eingereicht werden. In einer ersten Sitzung wählte die Fachjury aus 65 Arbeiten, die aus 23 Ländern kamen, die neun besten Entwürfe aus. Diese neun Entwurfsverfasser wurden im Herbst 2017 zu einer Workshop-Reise nach Island eingeladen, um dort ihre eingereichten Entwürfe gemeinsam mit Fachleuten von Agrob Buchtal zu diskutieren, weiter zu entwickeln und zu verfeinern. Ende Januar 2018 will die Fachjury dann die Sieger in den einzelnen Kategorien küren. Die Gewinner-Entwürfe sollen real gebaut, danach professionell im Studio fotografiert und anschließend veröffentlicht werden.
Im Folgenden zeigen wir einige der interessantesten Entwürfe für die Endausscheidung mit den Urteilen der Jury (alle Fotos: Agrob Buchtal):
"Kawalki" von Malwina Borowiec + Karolina Chodur / Pigalopus, Warschau
Der Entwurf basiert auf einer einfachen, aber dennoch vielschichtigen Idee, die alle Sinne anspricht. Ähnlich einem Lego-System regt „Kawalki“ auf spielerische Weise Interaktionen an. Die Idee ist eindeutig, gut dargestellt und zeigt ein großes Potential zur Weiterentwicklung. Das Material Keramik ist für dieses Projekt vielleicht nicht die naheliegende Wahl, aber gleichzeitig erhält das Projekt dadurch eine herausfordernde und unerwartete Komponente
Stay Unique von Agnes Tröger-Morguet, Köln
Der Entwurf wurde als ein wirklich nützliches Design bezeichnen. Es geht dabei nicht um Schönheit, aber er könnte Leben retten. Es könnte ein großartiges Design sein. Vermutlich könnte man, wenn eine ausreichend große Farbpalette möglich ist, einen Katalog von Pixelfarben schaffen, der für jedes beliebige Bildmotiv verwendet werden kann. Die Pixel könnten an den Wänden jedes Krankenhauszimmers neu zusammengesetzt werden und dadurch ein einzigartiges Erlebnis erzeugen.
RE:Tile von Andreas Crynen / Ingenhoven Architects, Mönchengladbach
RE:Tile arbeitet mit einem sehr einfachen, aber wirkungsvollen Mittel. Mit 2 Fliesenformaten und unterschiedlicher Farbgebung wird ein äußerst interessanter Effekt erzielt, welcher der planen Fliesenfläche eine scheinbare 3-Dimensionalität gibt. Einfach in der Produktion und vielfältig in der Anwendung, lassen sich mit RE:Tile sicherlich spannende Oberflächen gestalten. Obwohl das Produkt vermutlich markttauglich ist, vermisst die Jury ein bisschen die Innovationskraft, welche der Tile-Award auszeichnen möchte
Systems von Studio Joa Herrenknecht, Berlin
Der Vorschlag überzeugt wegen der konsequenten Verwendung zweifarbiger Fliesen in einer U-Bahn-Station. Die Fliesen verkleiden alle vertikalen Flächen, die Decke und die Säulen. Die Verwendung der zweifarbigen Fliesen erzeugt einen Film-Effekt in der gesamten U-Bahn-Station. Dadurch entsteht eine neue Erfahrung für Reisende. Man kann sich von dem weichen Übergang von der in einer Farbe gefliesten Oberfläche zur nächsten leiten lassen.
Iceland shop house von Olga Solomatina, Moskau
Die Idee einer Außenhaut mit einem klaren Konzept – die Haut als Zeichen. Die Hülle als Inhalt. Das Projekt ist gleichzeitig launig und humorvoll. Diese beiden Aspekte sind ein guter Ansatzpunkt für den Start eines Projekts. Die keramische Außenhaut kann als Boden, Wand oder Dachfläche gestaltet und genutzt werden. Zudem wäre es spannend, die Themen Weben und historische Motive und Muster unter Verwendung des neuen Materials zu erkunden.
Transmittance von Avishkar Bharati, Mumbai
Die Arbeit „Transmittance“ zeigt Keramik als temporäre Installation im öffentlichen Raum. Durch die Verwendung von keramischen Formteilen entsteht eine lichtdurchflutete Anwendung, die sich als Showroom oder Informationsstand an publikumsstarken Orten umsetzen lässt. Die geschwungene Form des Baukörpers sowie die schräge Anordnung der 3-D-Bauteile laden zum Entdecken und Besuchen ein. Das Erleben des Werkstoffs Keramik soll neben der generellen unerwarteten Installation durch Interaktion verstärkt werden.